Haarlem. Wir waren angekommen.
Nach ca. 11 Stunden anstrengender, schlafloser Fahrt, unzähligen passiven (jedenfalls für mich) grasbelasteten Atemzügen und einem quirligen aber symphytischen Amsterdam, sollte es nun endlich so weit sein. Wir standen vor einem riesigen Gebäudekomplex – das Patronaat. Hier würde das Complexity Fest in ein paar Minuten in seine erste Runde starten. Viele namenhafte Bands hatten sich angekündigt. Darunter: Hacktivist, Textures, Alkaloid und Destiny Potato. Letztere ist spätestens seit dem Euroblast in Köln in aller Munde. Nicht zuletzt wahrscheinlich auf Grund einer entzückenden Frontdame, die einerseits Nachtigall-like Texte über Liebeskummer und Sehnsucht durch die Konzertsäle zwitschert und zum Träumen animiert, es aber auch der ein oder andere, heftige Growl aus ihrem zarten Gesicht entfleucht. Sich hier auch nur ansatzweise auf die restlichen Bandmitglieder zu konzentrieren ist beinahe ein Kunststück. Aber dazu mehr, wenn es so weit ist.
Was als erstes auffiel und mir beinahe in mein Notizblock diktiert wurde: Die Location war verdammt heiß! Uns erwarteten 3 Bühnen. Eine Bühne „im Café“ - obgleich die dort agierenden Künstler weder zu einem Kaffeekränzchen, noch zu einem gemütlichen Plausch einluden- , eine weitere Bühne befand sich etwas tiefer gelegen hinter dem „Gaderobensaal“; verbunden mit einer Neon-beleuchteten Treppe, einem Balkon für eine geniale Draufsicht und einer kleinen Bar „unter Deck“, und dann gab es noch die MainStage, die uns sofort umhaute. Die Größe der Bühne war ungefähr vergleichbar mit der der Columbia Halle in Berlin. Hier konnte die Party steigen. Doch zu allererst ging es zur „Cafébühne“. 17.30 Uhr.
Hier eröffneten Hibakusha, zu Deutsch: Explosionsopfer, wie mir ziemlich grob eingebläut wurde, nachdem ich den Namen nichtsahnend bei Google eintippte, den Abend. Hibakusha, eine Band aus der Festival-eignen Stadt. Es dauerte nicht lange, bis ich eingestimmt war. Um genau zu sagen, kam ich in den prall gefüllten Raum und war schon vereinnahmt von ihren verwüstenden und absolut mächtigen Klängen. Die erste Assoziation, die mir zu dieser Band einfiel, war Vildhjarta. Ähnlich verzehrt und dissonant. Ich drängelte mich nach vorne, schoss ein paar Fotos, schüttelte kurz den Kopf und musste mich dann aber schon auf dem Weg zur nächsten Band machen; die hatten nämlich schon um 17.45 Uhr losgelegt. Destiny Potato. Mein Bruder, mit dem ich unter anderem dort war, hatte mir schon so oft was von dieser Band erzählt. So richtig hatte ich mich nie mit ihnen beschäftigt. Ich hab in jeden Song mal ne halbe Minute reingehört aber bisher konnte ich mich nicht derart dafür begeistern.. Zu sanft...zu wenig Geballer. Doch schnell wurde ich eines besseren belehrt. Was für eine starke Band! Die Sängerin hat eine gewaltige Stimme. Die Melodien sind zeitlos und hoffnungsvoll. Mal etwas anderes als immer nur diese düsteren „stino“-Metalklänge. Destiny Potato spielten Songs wie „Take a picture“, „Indifferent“, welcher sich als erstes in meinen Kopf gebrannt hatte und auf jeden Fall ohrwurmpotenzial hat; „Lovesong“ und „..“.Ich ging wie immer ganz nach vorne, um den besten Platz für gute Fotos zu erhaschen und knipste wie verrückt...am meisten traf ich dabei wohl die beeindruckende Alex.
Doch auch hier war keine Zeit mehr!
Vorbei an der Garderobe, Treppe runter. Ilussionless gab gerade ihr bestes zum Preis. Hier ging es auf jeden Fall vorwärts. Stampfende und eingängige Riffs rollten durch den Raum. Klassische Breakdowns standen hier auf dem Programm. Weniger djentig, doch dafür ein Schmuckstück für jeden, der gerne durchgängig in die Fresse geballert bekommt. Die nächste Wall Of Death konnte nicht weit sein. Leider war es auch jetzt schonwieder so weit, sich auf den Weg zur nächsten Band zu machen.
Und was für eine mega Band!! Aphophys haut dir die Zähne aus ‘m Gesicht. Der Sänger zog einen förmlich in seinen Bann des Wahnsinns. Der hat auf jeden Fall auch nicht alle Latten am Zaun! Ganz ehrlich, das waren für mich wohl die Bringer. Ich bin kaum aus dem Headbangen rausgekommen. Von der Stilrichtung und der Komplexität und Schnelligkeit erinnerte es mich wohl am meisten an Wormed. Leider hatte ich keine Ausrüstung um mich auf die Dunkelheit des Raumes einzustellen – daher sind die meisten Bilder sehr ...düster geworden. Passend zur Musik. Echt, Das war der Oberhammer! Ich glaube das war auch die einzige Band, die ich mir fast bis zum Schluss angehört habe. Dann musste ich aber weiter. Divine Sins wartete. Nein, sie haben ohne mich losgelegt. Im Vergleich zu Apophis fiel diese Band auf den ersten Blick eher lasch aus. Das einzige was mir von Anfang an ins Auge stach, waren die geilen Hosen des Sängers. Die waren interessant. Die Musik entpuppte sich nach längerem beiwohnen allerdings als wirklich gut erträglich. Es hatte alles, was ein guter Deathcore/-metal Song haben muss. Eingängige; einfache Riffs, harter Refrain und das Beste: eine Wall Of Death.
Ich zog weiter. In der Mainhall spielte Hypno5e. Mit denen hatte ich mich im Vorfeld leider überhaupt nicht beschäftigt. Und auch vor Ort hielt es mich nicht lange. Wie der Bandname verrät gibt es in der Musik beinahe einschläfernde hypnotisierende Parts…sehr atmosphärisch...ruhig......nicht langweilig! Aber da ich bei jeder Band so ziemlich auf dem Sprung war, konnte ich mich irgendwie nicht halten und konzentrieren...ich musste weiter...rein ins Getümmel...Action.
Wieder lief ich zur Bühne mit Balkon. Den musste ich auch tatsächlich in Beschlag nehmen, da der Saal bis zur Treppe hoch gefüllt war. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich nicht, dass ich mir schon mal einen Song von denen angehört hatte, der mich kaum ansprach. Live allerdings muss ich sagen, dass sie durchaus abgingen. Halt auf ihre Art. Was mir besonders gefallen hatte, war der Aufzug des Bassisten. Er trug die Jeans, wie in Bayern die Lederhose. Nicht länger als bis zur Hälfte des Oberschenkels; Hosenträger; wie das dann halt so aussieht. Außerdem hatte er weiße Kniestrümpfe an und machte Spagat-ähnliche Bewegungen auf der Bühne. Der hatte die Blicke auf jeden Fall auf seiner Seite! Ich glaube das war auch der einzige, den ich aus dieser Band fotografierte.
Eine Band, von welcher ich mir sehr, sehr viel versprach – besonders aufgrund ihres durchaus aktuellen und auf die Politik zu übertragenen Namens – hob um 18.30 Uhr an zu spielen. „ORIENT FALL“. „Da muss was rüberkommen“, dachte ich mir. Doch vorerst ein Gang auf die Toilette. Was ebenfalls ungewöhnlich und selten zu erleben ist: Die Klos waren nicht getrennt...Kann man machen; muss aber nicht sein... Was dafür aber richtig geil und noch viel ungewöhnlicher war: Man konnte beim Händewaschen durch ein riesiges Fenster hinunter auf die Bühne gucken (wo gerade Orient Fall spielten). Weil mich die drückenden Klänge reizten, sprintete ich beinahe hinunter, in der Hoffnung eine Deathcoreband zu erleben, wie sie bei Wikipedia steht. Leider war dem nicht ganz so. Jedenfalls hat mich das, was ich gehört habe nicht so vom Hocker gerissen; habe mich ehrlich aber vorher auch nicht mit der Band beschäftigt.
Hiernach ging es erst mal zur nahegelegenen Dönerbude, wodurch wir The Algorithm verpassten. Eigentlich hätte ich den Typen gerne mal gehört – da wären bestimmt ein paar geile Dubstepbeats rübergekommen aber ich war um 19 Uhr bereits so breit, dass ich eigentlich nur noch hätte schlafen können.
Doch noch musste die Müdigkeit warten. Pünktlich zu Beginn von HACKTIVIST waren wir zurück. (Nebenbei waren die Döner, die Ossi und Felix verspiesen hatten viel zu trocken, teuer und vollkommen herzlos zubereitet; keine schöne Erfahrung).
Hacktivist brachte die Massen mit ballernden Hiphop-Beats in Bewegung. Steh´ ich drauf. Als das Intro ausklang begannen sie sofort mit dem absoluten Burner „Niggas in Paris“. Niemand war zu halten. Weiter ging´s mit Elevate und anderen Krachern. Nach diesem Konzert war ich endgültig gerädert und mir blieb erst mal nichts anderes übrig, als mich irgendwo hinzuchillen. Zu mehr war ich an diesem Abend auch nicht mehr im Stande. Rolo Tomassi und Alkaloid habe ich nur im Vorbeigehen kurz und oberflächlich mitgeschnitten...hat aber gereicht, um mich die weiteren Stunden bis zur Abfahrt zu pesten, dass ich diese interessanten Bands verpasst habe. Naja, vielleicht kann ich das schon bald auf einem anderen Konzert nachholen bzw. hoffen wir alle auf eine Wiederholung dieses wunderbaren Festivals!