Protzen – die wahrscheinlich vielköpfigste Familie von Extremmetalfans und Freunden des hopfenhaltigen Getränkes. Auch dieses Jahr konnte man auf dem Protzener Acker vom 22. bis zum 24. Juni einige fantastische Bands sehen, bekannte Gesichter wiedertreffen und gescheiten Schwermetall auf die Ohren bekommen.
Wir sind bereits am 21. Juni angereist, was sich im Nachhinein eigentlich als gut herausgestellt hat, da sich der Zeltplatz recht rasant füllte und am Freitag, Anreisende teilweise Parkschwierigkeiten bekamen. „Eigentlich“ sage ich deshalb, weil sich die herausgegebene Sturmwarnung, für besagten Donnerstag, keineswegs als Witz entpuppte und zu allem Übel auch noch hektoliterweise Regen mit sich brachte, der uns auch an den folgenden Tagen peinigte. Daher habe ich einige Bands ausfallen lassen müssen und mich lieber unter unserem (nun kaputten) Pavillon verkrochen, obwohl die Bühne in einem alten Flugzeughangar steht, also überdacht ist –der Weg dorthin war trotzdem manchmal mit zu viel Überwindung verbunden. Dies war allerdings nur bedingt ein Hindernis, da viele deutsche Untergrund Bands sowie größere Hausnummern aus Schweden und Co. vermochten, uns allen einzuheizen.
Auch wenn es am Donnerstag noch keine Livemusik gab, hat man abends im Partyzelt auf der berüchtigten Metaldisco laute Musik auf die Lauscher bekommen, die den gemeinen Headbanger auf die kommenden Tage einstimmen sollte. The same procedure as every year!
Nach einer 10°C „warmen“ Nacht (Sommeranfang und so) war die Stimmung zwar recht trübe, aber das hat sich mit dem Beginn der ersten Band Victim schlagartig geändert. Die drei Trashkumpanen haben den Konzerthangar so gut es ging erwärmt und zum rhythmischen Kopfnicken angeregt.
Ob Betrayal die Stimmung halten konnte, kann ich wetterbedingt leider nicht sagen, allerdings war ich danach wieder vor der Bühne, um Betalmand zu lauschen. Ihre „Schwermusik“, wie sie ihren Death Metal selbst betiteln, war durchaus solides Getrümmer, was mich vor allem durch das Gitarrenspiel überzeugte. Die ausgeklügelten Riffs haben ordentlich zum Mitmachen angeregt und die gut gespielten Soli haben die ganze Sache rund gemacht.
Phantom Corporation sowie Final Dawn muss ich leider auch unter „Verpasst“ abbuchen, jedoch habe ich mich zu Bloody Invasion wieder zur Bühne getraut. Dort angekommen, hat man schnell gemerkt, wie wohl sich die Neruppiner da oben fühlten – immerhin war es für sie quasi ein Heimspiel. Dementsprechend gingen die Fans ordentlich ab, so dass eine schöne Konzertatmosphäre entstand, die von Lifeless direkt übernommen worden ist. Auch die langbehaarten NRW Deathmetaller überzeugten mit ihrer Show und lieferten einen anständigen Gig ab.
Im Anschluss gab es dann das erste Festival – Highlight, als die malaysischen Bolt Thrower, Humiliation, die Bühne betraten. Mit brachialen Riffs rollte das Konzert vom Anfang bis zum Ende durch und die ersten Koppschüttler merkten, dass der morgige Tag mit Nackenschmerzen starten dürfte. In diesem Moment war das allerdings egal und man ließ sich von Humiliation nach allen Regeln der Kunst erniedrigen, bevor man sich im größten Moshpit wiederfand, den das diesjährige Protzen gesehen hat. Die Musik zu dem Circle – gepitte und Rumgehoppse lieferten die dänischen Illdisposed durch ihren leicht verträglichen Death Metal mit der gewissen modernen Note, die viele gerade zu zum Ausflippen animierte. Ich muss zwar gestehen, dass mich ihre Musik noch nie wirklich mitgenommen hat und auch dort nicht außergewöhnlich beeindruckte, aber auf dem Protzen haben sie alles richtig gemacht, was sie hätten richtig machen können. Wenn ich vor dieser Leistung nicht meinen Hut ziehen würde, wäre er mir vom Headliner ohnehin weggepeitscht worden.
L.G. Petrov war gleich mit zwei Bands am Start und beglückte den eifrigen Abgeher am Freitag erst einmal mit seinem relativ jungen Projekt Firespawn. Sobald es um Schwedentod geht fällt es mir schwer objektiv zu bleiben, da mein Herz nun mal dafür schlägt und es wurde mehr als zufrieden gestellt. Dass Firespawn als Headliner auserkoren wurde, dürfte an dem Sprichwort „Man soll aufhören, wenn´s am schönsten ist“ liegen, denn spätestens nach der Zugabe Lucifer Has Spoken war klar: Für heute kann es gar nicht mehr besser werden (und möglicherwiese hatte Herr Petrov sämtliche Bierreserven des Festivals geleert). Leider fiel das nächtliche Lagerfeuer wortwörtlich ins Wasser, also hieß es entweder ab ins Partyzelt, wo wie immer noch weitergetrunken und gebangt wurde, oder ins gar nicht mal so warme Bettchen.
Am Samstag konnte man schon um 10:30 – quasi passend zum Frühstück – Cashley sehen, die im Partyzelt das Frühshoppen einläuteten. Als einzige nicht extreme Band, ließen sie den Tag recht entspannt starten, bevor Artless, aus dem Ruhrpott, als erstes den Hangar heimsuchten. Auch hier kann ich leider nicht viel mehr zu sagen, da man auf dem Protzen jedes Jahr wieder die gleichen Gesichter trifft, sich unterhält und gemeinsam das ein oder andere Bier zu sich nimmt.
Allerdings habe ich mir für Xicution Zeit genommen und alle, die sie ebenfalls gesehen haben, wissen nun auch warum man das tun sollte. Mit aggressivem Todesmetall um die Ecke kommend drückten sie die Zuschauer an alle verfügbaren Wände und forderten zum Propellerbangen auf. Ich fand´s einfach cool. Da Samstag jedoch offenkundig mein Tag des Verquatschens war, habe ich auch die zwei folgenden Bands Thornafire und Infight verpasst, obwohl ich beide gern sehen wollte.
Zu Inhume aus den Asphyxlanden zog es mich dann doch wieder hin und das war es auch mehr als wert. Ihnen könnte der Preis für die Band überreicht werden, die am meisten Spaß auf der Bühne hatte. Mit zwei Sängern, welche ihren eigenen Moshpit on Stage zu haben schienen, brach feinstes Gepolter auf die Zuhörerschaft ein und bewegte die teilweise schon ziemlich verbraucht wirkenden Leiber vor der Bühne, dem Vorbild der beiden Brüllenden zu folgen.
Anschließend gab´s dann bei den Schweizern Requiem weiterhin gescheit eins auf die Löffel. Ihr Konzert war ebenfalls umwerfend und bis dato waren sie die Band, von der mir am häufigsten gesagt wurde, sie seien die Besten am Samstag gewesen – eine akkurate Einschätzung, die ich auch so unterschrieben hätte, wenn nicht noch andere gefolgt wären, wie unter anderem Dew Scented – die letzte Band, die ich auch verpasste, aber von denjenigen, die sie miterlebten, hörte ich durchweg positive Resonanzen.
Im Anschluss hieß es dann Blood For The Bloodgod als Debauchery einkehrten. Das Konzert war solide und wie erwartet ist der Death/Groove – Fan auf seine Kosten gekommen, konnte rhythmisch den Kopf auf und ab bewegen und die Faust erhebend mitgrölen. Keine Überraschungen, dafür Blut, unfreundliches Gegrowle, Tod und Verderben – Debauchery halt.
Von der deutschen Todesmusik ging es dann geradewegs ab nach Schweden – Demonical besetzten die Bühne. Mit dem Titeltrack ihres aktuellen Albums Towards Greater Gods als Opener stellten sie dann auch direkt klar, was jetzt Sache ist: Moshen. Leider gab es offensichtlich technische Probleme, weshalb eine der beiden Gitarren ausfiel und das langwierige Beheben dieses Fehlers hatte zur Folge, dass Demonical nicht einmal ihr komplettes Set spielen konnten. Äußerst schade, da viele Fans ihrer Musik da zu seien schienen, was ich anhand der vielen Shirtträger festmachen konnte. Ich hätte mich auch gefreut, mehr von ihnen zu erleben – hoffentlich kommen sie wieder, um zu beenden was sie angefangen haben!
Für die nächste Band sind glaube ich, dass noch keine Worte erfunden worden, um zu beschreiben, was sie dort ablieferten. Die Rede ist von Just Before Dawn, bei denen seit diesem Jahr der unglaubliche Dave Ingram (u.a. Down Among The Dead Men, ex – Benediction, ex – Bolt Thrower) ruft. Mit ihrem fantastischen Sound, eingängigem Gitarrenspiel, aber vor allem ihrem neuen Sänger, krempelten sie die Zuhörerschaft mit Songs wie Outnumbered auf links und sorgten tatsächlich dafür, dass der ein oder andere Deathmetal – Fan vor der Bühne eine Träne verdrückte und das nicht wegen herumfuchtelnder Ellenbogen. Dieses überwältigende Konzert hat dafür gesorgt, dass das Wetter plötzlich egal war und das Protzen 2018 als unvergesslich abgestempelt werden dürfte, zumindest für mich persönlich.
Jedoch folgte noch der Headliner Entombed A.D. und man sah Herrn Petrov zum zweiten Male über die Bühne herrschen – keineswegs vom vergangenen Abend eingerostet oder müde. Leider bin ich auch nur ein Mensch und da ich nach Just Before Dawn und einem kurzen Treffen mit Dave Ingram mit meinen Gedanken auf einem fremden Planeten war, zog Entombed teilweise an mir vorbei, ohne dass ich Notiz davon nahm, obwohl ich vor der Bühne stand. Nichts desto trotz groovten sie mich mit einschlägigen Titeln wie Second To None einige Male aus meiner Death Metal bedingten Trance und zwangen auch mich zum mitbangen. Zu sagen, dass dies ein guter Abschluss für ein Festival war, wäre äußerst untertrieben.
Wenn man Anschließend noch im Partyzelt vorstellig wurde, konnte man noch einige Klassiker der Rock- und Metalszene hören, seine restlichen Getränkemarken einlösen und deutlich angeschmetterte Debauchery Bandmitglieder umherwanken sehen.
Alles in allem war das Protzen zwar nass und kalt, aber doch mit einigen Kapellen gespickt, die einen die Unannehmlichkeiten vergessen und das Erleben ließen, was alle Festivalbesucher verbindet: Die beste Mucke dieser Galaxie. Bis zum nächsten Jahr!