Scheuermann vor Ort
Das Wacken Open Air sollte nach drei Jahren Pause endlich wieder starten. Nicht nur wir waren erfreut darüber, sondern auch ca. 90000 andere Fans. Die harten Jahre der
Entbehrung sollten nun vorbei sein. Die Vorfreude war riesig auf das Festival! Die große Frage im Raum war, ob sich der Spirit geändert hat nach der Zwangspause. Gibt es
einschneidende Änderungen, die das Festival vermiesen oder gar bereichern? Hat die Corona-Pause dem Wacken Open Air geschadet oder steigt es wie Phönix aus der Asche
Empor, um und eines Besseren zu belehren und zu zeigen, was es heißt, das größte Metal Festival auf Erden zu sein?
Ich gebe es zu, ich bin mit gemischten Gefühlen hingefahren. Jedoch gestaltete sich nach all der Zeit die Anfahrt schon schwierig. Anscheinend haben die Stewards verlernt, wie der Verkehr zu regeln ist. So hatten wir anstatt der veranschlagten vier Stunden, eine 6-stündige Fahrt vor uns, zwei Stunden davon brauchten wir allein, um auf das Gelände zu kommen und uns die Bänder abzuholen. Es ist nur einem glücklichen Zufall zu verdanken, dass wir es geschafft haben, rechtzeitig abzubiegen. Die Ausschilderung war so minimal, dass es auf 5 Kilometer nur ein richtungsweisendes Schild gab. Nach der Ankunft bei der Bändchenausgabe hatten wir doch gleich den nächsten Schreck zu verarbeiten. Das Cashless Payment System entpuppte sich schon beim Aufladen als kleiner Fluch. Anstatt 150 € wurden lediglich 50 erkannt und so und begann das Laufen, noch bevor man das Gelände betreten hat. Nichtsdestotrotz waren wir froh, nach der langen Zeit endlich wieder unser Zelt dort aufschlagen zu können, den T5 zu öffnen und den Pavillon aufzuklappen, auch das Bier schmeckt erstaunlicherweise viel besser, wenn man in Wacken auf dem Zeltplatz sitzt. Nach den Strapazen der Fahrt und dem ersten kühlen Getränk, ging es dann natürlich auch sofort auf den Platz. Als erstes ging es uns darum zu erkunden, wo das eingezahlte Geld abgeblieben ist. Leider verbrachten wir zwei Stunden damit, einen Verantwortlichen zu suchen und zu finden sowie noch eine halbe Stunde damit, zu warten, bis das Geld endlich auf dem Cashless Payment Chip gelandet ist. Als wir auf der Suche nach einem Verantwortlichen waren, konnten wir doch das Gelände großräumig inspizieren, da wir alle Seiten einmal abgelaufen sind. Hier muss man wirklich, wirklich, wirklich löblich erwähnen, dass dem Gelände die Umstrukturierung sehr gutgetan hat. Die Louder ist an ein völlig anderes Ende gewandert, es ist genug Platz für alle da und selbst bei den großen Bands konnte man sich frei bewegen und hatte nicht das Gefühl, wie eine Sardine in einer kleinen Büchse zusammengequetscht zu sein. Über die diesjährigen Preise brauchen wir uns nicht beschweren und auch nicht lange diskutieren. So ein Festival muss gestemmt und unterhalten werden, daher wird auch hier niemand drum rum kommen die Preise anzuziehen.
Loudness
Die erste Band, für mich, auf dem Wacken Open Air, seit drei Jahren, sind Loudness. Die in
die Jahre gekommenen Herren, die den weiten Weg aus Japan hierher gemacht haben,
halten sich in keiner Weise mit Spielfreude und Aktion zurück. Bei hellstem Sonnenschein
bieten sie einen Querschnitt ihrer geschaffenen Kunst. Loudness als Auftakt zum
diesjährigen Wacken Open Air, besser könnte es nicht kommen! Die Anordnung der Bühnen war perfekt! Der Krach der Hauptbühnen störte das Konzert nicht und alle hatten genug Platz sich zu verausgaben.
Rose Tattoo
Weniger umwerfend als ich sie noch in Erinnerung habe, spielen sich Rose Tattoo durch ihr
Set. Dies kann aber auch subjektiv sein, bin ich doch erst später hinzugestoßen und
verbringe eine Weile des Sets damit, am Bierstand auf das kühlende Nass zu warten,
welches bei diesem warmen Wetter Linderung für meine vom Staub gequälten
Kehle verspricht. Mit Klassikern wird nicht tiefgestapelt, jedoch sind es bei Rose Tattoo diese
langgezogene Parts die mich diesmal nicht anheben. „Nice Boys“ ist ohne Frage ein Knaller,
doch wenn alle Anwesenden schon hundertmal "dont play Rock n Roll" gesungen haben ist
der Drops irgendwann gelutscht. Am Ende ist es schön, sie Mal wieder gesehen zu haben.
Grave Digger
Die größte Band des Festivals, gemessen an den mitwirkenden Musikern. Grave Digger
lassen sich von allerlei Leuten unterstützen, um ihre Musik mit originalen Instrumenten
anzureichern. Eine schöne Idee, nur wirkt alles so überladen, dass der Funke nicht
überspringen will. Eine etwas andere Ansicht hat Roger aus seinem Home Office für euch notiert, welche ihr auch hier auf der Seite lesen könnt.
Overkill
Muss man nix zu sagen! Ein Feuerwerk!
Overkill gehören seit Jahren, zu Recht, zu den Aushängeschildern des Thrash Metal und
machen sich wieder alle Ehre. Hand hoch, wer at sie schon live gesehen? Okay, alle die jetzt die Hand oben haben, wissen genau wovon ich spreche. Der mitreißende Gig, mit all den Klassikern lies kein Fan Auge trocken. Der grün-schwarze Hammer kreiste über dem Gelände und grob gnadenlos Furchen ins Acker. Danke Overkill!
Judas Priest
Durch Überschneidungen schaffe ich es gerade rechtzeitig zum Zugabenblock. Der soll mir
auch reichen. Hier hat man alles, was Judas Priest groß gemacht hat schön komprimiert in
20 Minuten. Ja, es gibt noch mehr als das, doch habe ich die Band schon oft gesehen und es
sind eben diese Songs, die mich immer wieder den Briten lauschen lassen. „Electric Eye“, „Hell Bent For Leather“, „Breaking The Law“ und natürlich das alles überragende „Living After Midnight“. Nichts fehlte, alles stimmte. Grandios!
Gwar
Einen klasse Gig liefern uns GWAR, wie immer. Vor einiger zeit sah ich sie auf ihrer Tour und bin sehr positiv überrascht, dass sie hier noch eine Schippe drauflegen, was Blut, Sperma und all die andere Suppe angeht. Das Gesuhle vor der Bühne muss heftig gewesen sein. Die Setlist las sich wie ein Best Of. Auch hier ist es immer wieder herrlich die Band zu sehen. Überhaupt beschleicht mich das Gefühl, dass die Nebenbühnen dieses Jahr die eigentlichen Headliner hat und man sich vertrauensvoll am Rand des Geländes aufhalten kann und nicht enttäuscht wird.
At The Gates
Knüppel punktgenau aus dem Sack! Ein Death Metal Feuerwerk erster Güte. Thomas Lindberg schreit die Anwesenden zusammen, als hätten sie seine Mutter beleidigt.
Hypocrisy
Venom
Von der Spielzeit her leider falsch besetzt, sind die Engländer an diesem warmen Tag.
Musik wie Venom die spielen braucht Dunkelheit.
In Extremo
Was immer funktioniert in Wacken sind In Extremo. Ich habe noch keinen Auftritt der Jungs erlebt der schwach war oder zu wenig besucht. Da ist immer etwas los. Kein Wunder, dass In Extremo gerne gebucht werden. Gehören sie aber auch zu den Bands, die so langsam, aber sicher, zum Standard werden. Natürlich tut eine Kontinuität dem Festival gut, doch ich für meinen Teil besuche solche Konzerte dann eben nicht oder schaue sie mir zur Überbrückung der Zeit an. In diesem Fall sind In Extremo ein Lückenbüßer, bis es zu Tiamat geht. Unterhalten werde ich dennoch und die Show ist wie immer toll. Auf der Nachbarbühne machensich schon Slipknot bereit für ihren Auftritt, den will ich auf jedenfall verpassen!
Tiamat
Das letzte Mal sah ich Tiamat 2009 in Wacken. Leider war ich an diesem Sonnabend
morgens um 1 Uhr zu "müde" und bin während des Konzertes lieber zum Zelt. Dieses Jahr
wollte.ich es mir nicht entgehen lassen und war sehr gespannt. Zu meiner großen Freude
und wahrscheinlich auch zur Freude aller anderen vor der Bühne, packten Tiamat ihr
Wildhoney Album aus und spielten sich damit in die Herzen aller Anwesenden. Sehr
beeindrucken war an diesem Abend die Stimme und die Stimmung von Johan. Er hat es
geschafft, bei all diesen Bands die immer höher, lauter, weiter sein wollen und auch sollen,
eine solche Ruhe reinzubringen das es mich heute noch mit einer Gänsehaut überzieht
wenn ich daran denke. Hypnotisch möchte ich seine Wirkung nennen. Mir ging das Herz auf,
als Gaia angespielt wurde und diese warme Decke aus Johans Stimme sich über den Platz
legt. Mahnend und schützend.
Slime
Meine persönlichen Headliner dieses Jahr sind Slime. Die Urgesteine des deutschen Punks haben sich vor nicht allzu langer Zeit von ihrem alten Sänger Diggen getrennt und sind nun mit ihrem neuen Sänger Tex auf Tour. Live sehe ich sie zum ersten Mal und bin gespannt wie sich der Neue so macht. Der Opener „Komm schon klar“ knallt gut rein. Die müden Knochen vor der Bühne werden schnell warm. Sime sind die Mittagskinder des heutigen Tages. An der Anzahl der erschienenen Leute kann man bemessen, dass viele wie wir sich auf das Konzert gefreut haben und trotz der relativ frühen Stunde den Weg auf den Platz gesucht haben. So wie der Opener, ballert das ganze Set. Lediglich die steife Art von Tex ist nicht gerade befriedigend, aber egal. Es werden hauptsächlich Songs von dem neuen Album gespielt, jedoch lassen sich die Jungs und das Mädel nicht lumpen und hauen viele ältere Songs raus. Ein schönes Konzert zum wach werden.
Orden Ogan
Gesehen habe ich Orden Organ auf dem Weg zu Life Of Agony und auch beim Warten
bekommt man einiges mit. Ohne vorherige Berührungspunkte muss ich gestehen, dass es
musikalisch bestimmt interessant ist, weiter in ihr Schaffen einzudringen, was jedoch die
Performance angeht bin ich nicht nur nicht angetan, nein, es langweilte mich sogar sehr. Sie
haben sich wirklich Mühe gegeben, dich wie schon bei Rose Tattoo erwähnt, sind zu lange Parts mit dem Publikum eher langweilig. Besonders, wenn man mit den Fans vor der Bühne erst noch Proben muss. Wieso verschwendet eine Band nur so viel Zeit damit den Leuten mich zu erklären, wie sie was singen müssen. Ein paar Singalongs hier und da sind toll und sind der Kit, der Fans und die Band zusammenhält, doch sollte man es einfach nicht übertreiben.
Danke, Orden Organ für eure Mühe, noch einmal muss ich mir das jedoch nicht antun.
Life Of Agony
Jedes Jahr gibt es diese eine Band, wegen der man sich besonders freut. In diesem Jahr
sind es sogar zwei. Eine davon waren Slime und die zweite ist Life Of Agony. Seit der „River
Rund Red“ ist die Band ein ständiger Begleiter. Nicht alle Werke sind hier so überzeugend
wie das Erstlingswerk, eine besondere Position haben sie dennoch inne. Zu meiner
Überraschung und Freude wird heute genau auf dieses frühe Schaffen das Augenmerk
gelegt. Nicht nur ich freue mich wahnsinnig drauf. Alle Beteiligten vor der Bühne haben eine
Riesenfreude bei der Songauswahl und der spielfreudigen Band. Doch was ist nur mit Mona
Capito los? Schlagzeug, Gitarre und Bass lassen kein Stein auf dem anderen und Grooven
wie die Hölle. Minas Gesang hat aber oft so seltsame Einsätze und Töne, dass es nicht
recht passen will. Müßig zu erwähnen, dass dennoch alle zufrieden sind und feiern, als hätte sie nach Life Of Agony nichts mehr vor.
The Other
Wir hatten noch was vor, und zwar zu The Other zu gehen. Und es war kein Fehler, den Weg auf sich zu nehmen. Die Stimmung die Life Of Agony in uns aufgebaut hat, wurde durch The Other noch verstärkt. Einigen war die band nicht bekannt, weswegen viele erstmal verhalten dastanden. Nach ein paar Songs wurde aus dem verhaltenen Stehen aber eine Pogo Pit. Neue und alte Fans hechteten jetzt im Kreis und queer durcheinander vor der Bühne hin und her. Ein Augen.- und Ohrenschmaus!
Arch Enemy
Die Damen und Herren um Michael Amott bilden dieses Jahr den Abschluss für mich und
meine Gefährten. Größer und wichtiger könnte dieser nicht sein. Licht und Sound lassen
keine Wünsche offen! Alle Anwesenden Assen sich hier noch einmal zu Ausdrücken
hinreißen wie "Unglaublich!" und "Was für eine Granate!". Die Granate bezog sich hierbei
auf Alissa White-Gluz, die optisch sowie stimmlich alles in den Schatten stellt. Hierbei sei
erwähnt, dass ich ihre Vorgängerin von den Sangeskünsten her jedoch den Vortritt lasse.
Alissa beeindruckt, ohne Frage, doch ist mir die Stimme nach drei gehörten Songs zu
eintönig und ohne wirkliche Höhen und Tiefen, im Erlebten. Nichtsdestotrotz bügelt sie alles
mit ihrer Sympathie und ihrer Stimme nieder. Die Herren machen es ihr nach und walzen
über das Feld, als wollten sie mir ihrem Auftritt für ihre Nachfolger nur Asche übrig lassen.
Was ist denn nun das Fazit aus dem Jahr 22, nach den ganzen Ausfällen?
Eins bleibt das W:O:A mit Sicherheit – eine feste Größe im Sommer und im Kampf um das meistbesuchte Festival. Das ist einerseits etwas Gutes, andererseits ist es aber auch das nach wie vor große Manko. Die Massen, die dieses Jahr zwar durch die Bühnenaufteilung etwas entzerrt waren sind dennoch da und es wird immer mehr zu einem Menschenmeer in dem ,an sich schnell verliert und Bands auch nicht besucht werden, wie es einfach schlicht nicht möglich st in Ruhe an einem Platz zustehen, ohne hin und her geschubst zu werden. Preislich ist es kein Wunder, dass etwas angezogen wurde. Die Ausfälle der letzten Jahre müssen abgefedert werden, keine Frage. Nur ist auch irgendwann der Punkt erreicht an dem ein Bier dann ne Hypothek nach sich zieht und weniger schmeckt. Ja, ja das alte Geheule. Ist aber leider ein Punkt, der immer wieder zur Sprache kommt. Ob auf dem Platz oder unter Freunden und Bekannten.
Die Bandauswahl war phänomenal und das Klima vor Ort bestens! Das ist letztendlich auch das, was zählt und weswegen man immer wieder dort hinkommt, Musik, Freunde und das Genießen eines durch und durch gut geplanten Festivals (wenn man von der Ausschilderung absieht)!
Danke Wacken!