Fast hätte ich es verpasst, zwei Tage vor dem Konzertabend ist mir mein fataler Fehler aufgefallen. Ich hatte noch keine Karte. Zuviel um die Ohren gehabt und fast das Wichtigste übersehen. Dank des wirklich netten Managements jedoch, wird mir unkompliziert noch die Möglichkeit gegeben dem Konzert beizuwohnen. Danke nochmal dafür! Das HKB in Neubrandenburg ist die erste Stadt, in der Silly mit ihrer Analog Tour gastieren. Die Band wird heute vor ausverkauftem Haus spielen. Dementsprechend voll ist es beim Einlass. Eine Kasse gibt’s schon gar nicht mehr. Aus diesem Grund erkundige ich mich am Merchstand, woher ich denn meine Karte bekomme und siehe da, der nette Emailkontakt ist auch für den Verkauf der Shirts und CDs verantwortlich. Wie gewohnt zuvorkommend, verweist mich die Dame hinter dem Tisch an die Einlasser. Hier bekomme ich dann auch meine Karte und der Spaß kann beginnen.
„Wenn ich sterbe, lasst nicht auch noch Silly sterben“
Mit einem kurzen Video, in dem Jäcki über eine Unterhaltung, mit der 1996 verstorbenen Tamara Danz, beginnt das erste Silly Konzert ihrer Analog Tour, die sie durch 10 deutsche Städte führen wird. Zehn Alben, zehn Städte. Der heutige Abend steht im Zeichen des Albums „Wutfänger“.
Entgegen meiner Befürchtung, ist diese Tour alles andere als Unplugged. Mit eher ruhigeren Tönen eröffnen Silly das Programm, nehmen später aber gut Fahrt auf. Nach der eher unglücklichen Trennung von Anna Loos, sind es diesen Abend Julia Neigel und AnNa R (u.a. Rosenstolz), die Silly ihr unverwechselbaren Stimmen leihen. AnNa R widmet sich während der Show eher den ruhigeren Stücken und überlässt Julia die aktiveren Songs. Dies kommt sicher nicht von ungefähr. Julia Neigel, die ja nun auch keine 28 mehr ist, hat die ganze Show über aber so viel Feuer in ihrer Darbietung, soviel Schwung, Freude und Elan, dass hätte man ihr nur schwer nachmachen können. Zum Lied „Verlorene Kinder“ betritt AnNa R zum ersten Mal die Bühne und bietet den Song mit viel Gefühl in der Stimme dar.
Natürlich darf auch „Bataillon d´Amour“ nicht fehlen! Hier überrascht die ziemlich dicke Gitarre im Refrain. Der Song bekommt einen ganz neuen Anstrich und wird von den jungen, wie von den Ü 60 gefeiert. Bei „Liebeswalzer“ kommt die eben genannte Gitarre leider nicht wirklich zur Geltung. Die Bass Drum drückt ziemlich und auch der Bass wummert gut, doch sind Gitarre und das Tasteninstrument leider kaum zu hören. Das Problem, der zu leisen Gitarren, herrscht bis zur Pause (die bei einem über zwei stündigen Konzert und dem Durchschnittsalter des Publikums gerne angenommen wird), danach ändert es sich gewaltig. Trotz allem hat der Song, gerade live, eine beeindruckende Wirkung. Ich applaudiere, nach diesem wohligen Stück Musik, was eher selten bei mir vorkommt.
„Asyl im Paradies“ bekommt durch ein weiteren schwarz-weiß Einspieler, noch mehr Bedeutung und Tiefe. Der Text, so lässt und das Video wissen, wurde kurz vor Tamaras Krebsdiagnose geschrieben, jedoch möchte man meinen, sie verarbeite in dem Text ihre Suche nach Ruhe und etwas Erholung vor ihrer Krankheit. Ein Gänsehautmoment!
Als Zugabe kommt dann auch AnNa R so richtig aus sich raus und verlässt ihr überwiegendes Backgroundsängerin-Dasein. Bei „Wo bist Du“ zieht sie alle Register und zeigt wozu sie fähig ist. Sie singt sich so ziemlich in Rage. Ausdrucksstark und überzeugend, sowie beeindruckend.
Es war optisch sowie akustisch ein Erlebnis, an das ich noch lange zurückdenken werde. Leider ist und bleibt Silly auf Platte weniger ansprechend. Zu flach die Produktion und zu wenig „Eier“ in der Musik. Live jedoch überzeugen sie total. Gerade Songs wie „SOS“ wirken live so viel besser als auf CD. „Alles rot“ ist sowieso ein Garant für Stimmung. „Ich sag nicht ja“, „Deine Stärken“, „Zwischen den Zeilen“, „Kampflos“ und viele Songs mehr werden heute geboten. Mein Abschluss Lied ist „Bye, Bye“ und dabei belasse ich es auch. Bis zum nächsten Mal!