Sonntagabend und noch nichts vor? So gings uns am 19.11. und deshalb sind wir ab ins verregnete Berlin zu einem Konzert der „King of the North“ Tour gefahren. Die Konzertreihe ist nach dem nunmehr sechsten Album von Toumas Saukkonens Projekt Wolfheart benannt, was der Truppe den Anlass zu ihrer ersten Headliner Tour durch Europa gab. Der Gig fand im beschaulichen ORWOhaus statt, welches ich schon länger besuchen wollte und nun hat es endlich mal geklappt.
Als wir ankamen brachten wir einen ordentlichen Regenschauer mit, was nicht so recht mit der Verzögerung des Einlasses harmonieren wollte. Dennoch sind wir halbwegs trockenen Fußes in die Halle gekommen und wurden auch direkt freundlich begrüßt. Langsam, aber sicher füllte sich der Saal, auch wenn es aufgrund des Sonntages als Veranstaltungstag nicht randvoll wurde. Trotzdem merkte man gleich, dass alle Besucher, ungeachtet ihrer überschaubaren Anzahl, recht viel Bock auf Livemusik mitgebracht haben.
Den Auftakt gaben Hinayana aus Texas. Mit ihrem etwas doomigen Melodic Death Metal passten sie hervorragen in das Line-Up des Abends und haben ohne Umwege die Lebensgeister im Publikum geweckt. Auch Hinayana haben ein neues Album, „Shatter and Fall“, mitgebracht und einige Songs daraus angespielt, wie „Spirit and Matter“ oder „A Tide Unturning“. Auch die Titel von ihrem ersten Album und ihrer anschließenden EP kamen sichtlich gut an. Ich persönlich war vor allem von „Cold Conception“ angetan. Während des Auftritts haben die Amis mit etwas begonnen, was sich durch den ganzen Abend ziehen sollte: Konsequentes Animieren zu rhythmischen Auf- und Abwärtsbewegungen der Faust während so gut wie jedem Song. Die meisten haben da auch fleißig und erstaunlich ausdauernd mitgeboxt, auf mich sprang der Funke trotzdem nicht über.
Im Anschluss betraten Before The Dawn die Bühne, die der Hauptgrund für unser Anrücken gewesen sind. Nachdem Tuomas Saukkonen all seine Bands auf Eis legte und Wolfheart aus ihnen zusammenbastelte, meldeten sie 2021 ihr Comeback an. Der neue Sänger, Paavo Laapotti, performte „Deadsong“ im Rahmen der finnischen The Voice Ausgabe und das hat dem Herrn Saukkonen scheinbar dermaßen zugesagt, dass er ihn direkt verpflichtete. Stimmlich gesehen musste Paavo allerdings in recht große Schuhe schlüpfen, weshalb – vor allem der Klargesang – vorerst etwas gewöhnungsbedürftig erschien, aber nur ausgesprochen kurzfristig. Während der erst paar Songs „Unbreakable“, „Destroyer“ (von neuem Album „Stormbringers“) und „My Darkness“ hat er nicht nur uns für sich gewonnen und ins Staunen versetzt. Nach ein paar Klassikern wie „Faithless“ und „Dying Sun“ gab´s weitere Songs vom neuen Album zu hören, wovon mich vor allem die Singleauskopplung „Downhearted“ überzeugte. Bei „Wrath“ schubsten sich dann die ersten Raufwütigen in einem recht kleinen Moshpit durch die Gegend, bevor das Konzert mit „Deathstar“ und „Deadsong“ endete.
In der letzten Umbaupause wurden ein paar Mikrofonständer mit anmontierten Schädeln auf die Bühne und Tuomas Saukkonen vom Schlagzeug nach vorne gestellt. Denn jetzt spielte der Headliner Wolfheart, was mit Melodic Death Metal nur noch wenig zu tun hat. Da ging es dann doch eine Spur härter zu, was neben dem brachialen Gesang maßgeblich am Schlagzeuger Joonas Kauppinen liegt. Was der sich da zusammenprügelt, ist ganz großes Kino. Songtechnisch haben sie sich kreuz und quer durch ihre Diskografie gespielt und u.a. „The Hammer“, „Ghost of Karelia“ oder „The King“ und „Skyforger“ vom aktuellen Album zum Besten gegeben. Der Klargesang, der nun auch bei Wolfheart Eingang gefunden hat und vom Gitarristen Vagelis Karzis dargeboten wurde, hat live sehr gut funktioniert. Allerdings war entweder sein Mikro stellenweise etwas zu leise austariert oder hinter Saukkonens Stimme verschwindet einfach alles andere – ich vermute eine Mischung aus beidem. Meine Highlights des Konzerts blieben dennoch die Songs von Wolfhearts Debütalbum – „Routa (Part 2)“ und die Zugabe „The Hunt“.
Alles in allem war es ein sehr gelungener Abend. Ich höre mittlerweile kaum noch Melodic Death Metal, tat es allerdings früher sehr gern und da war Before The Dawn nicht nur einer meiner Favoriten, sondern auch eine der ersten Bands mit einem derartig druckvollen Gebrüll, die ich kennengelernt habe. Dementsprechend war mein vergangenes Ich in mir überaus glücklich, diese Band endlich mal gesehen zu haben. Vor allem „Dying Sun“, Before the Dawns bester Song nach meiner Auffassung, hat mir eine Gänsehaut beschert und wird noch eine Weile nachhallen.